Es gibt eine in Deutschland wenig bekannte englische Theatertradition, die alljährlich zu Weihnachten neu gefeiert wird: Pantomines, kurz Pantos. Ein Panto ist mitnichten ein Pantomimen-Schauspiel im deutschen Sinne, sondern kurzweilige Familienunterhaltung mit Sprache und Musik.
Das Genre entstand bereits im 17. Jahrhundert auf den Britischen Inseln; es ist eine Mischung aus Komödie, Märchen und Musical. Bei den Aufführungen wird gesungen, getanzt und Slapstick aufgeführt, oft von als Frauen verkleideten Männern und umgekehrt, während die Handlung meist einem Volksmärchen oder einer bekannten Sage folgt. ( Hier gibt’s mehr dazu: Wikipedia)
Das großartige Everyman-Theatre in Liverpool hat in dieser Hinsicht seine ganz eigene Tradition begründet. In dem 1964 eröffneten Haus am nördlichen Ende der Hope Street, nahe der Universität, wurden stets politische Stücke gegeben. Der Anspruch gemäß des Namens: ein Theater für jedermann (und jederfrau) zu sein. Und Weihnachten drehte und dreht man dort richtig auf.
Die Pantos im Everman liefen von Anfang an unter dem Titel Rock’n Roll Pantos. Logisch in einer Stadt, die so viel Musik im Blut hat. Und: Sie nahmen und nehmen fast immer auf eine Begebenheit in Liverpool Bezug, gern auch auf Lokalpolitik. Und zwar in heftigstem Scouse, sodass es nicht ganz einfach ist, den Geschichten zu folgen.
Was den Genuss allerdings kaum schmälert! Denn der Witz erschließt sich zumeist aus Gestik und Mimik der Schauspieler, und es ist immer ein Erlebnis, inmitten der lachenden Familien zu sitzen, wenn vor allem die Kinder vollkommen von der Handlung mitgerissen werden.
Etwas anderes ist da schon komplizierter: Im Verlauf der Jahre, vor allem nach der grundlegenden Sanierung und Neueröffnung des Everyman 2014, sind die Pantos so beliebt geworden, dass es schwer geworden ist, Karten dafür zu bekommen. Wer weiß, dass er in der Vorweihnachtszeit an der Mersey weilen wird, sollte sich also so schnell wie möglich um Tickets bemühen.
Zumal die Alternative in Form des Epstein Theatres an der Hanover Street nicht mehr besteht. In dem herrliche plüschigen Haus gab es stets die eher traditionellen Pantos – was ebenfalls Spaß machte und sehr viel leichter zu verfolgen war. Jedoch: Die Stadt Liverpool hatte das Gebäude von dessen Privatbesitzer gepachtet und es der Theatergesellschaft zu einem stabilen Mietzins überlassen. Seit dem Frühling dieses Jahres hat jener Besitzer jedoch die Pacht in solche Höhen getrieben, dass das Konstrukt nicht mehr funktioniert. Wieder einmal ist die Kultur ein Opfer des Gewinnstrebens der Privatwirtschaft geworden. Eine Schande!