Die Ergebnisse der britischen Parlamentswahlen im Juli waren alles andere als eine Überraschung. Nach so vielen Jahren unsäglich schlechter Tory-Politik war ein Wechsel überfällig. In Nordengland – seit Jahrzehnten die ärmere Region und vor allem von konservativer Politik kaputtgespart, zeichnete sich das schon länger ab.
Seit Maggie sind die Fronten klar
Beginnend mit dem Bergarbeiter-Streik von 1984 / 1985 gab es im gesamten Norden, mitgerechnet Wales, Nordirland sowie Schottland, immer wieder Versuche, sich der gewerkschaftsfeindlichen Politik der Eisernen Lady zu widersetzen. Vor allem der Liverpooler Stadtrat – dominiert vom linken Labour-Flügel – legte es auf Konfrontationen an. Der Slogan lautete »Better to break the law than break the poor« Was Thatcher im Gegenzug dazu brachte, immer härter gegen Arbeiteraufstände vorzugehen und den Kommunen Gelder zu kürzen (wobei Liverpool es tatsächlich schaffte, einmalig jener Torie-Regierung Extra-Gelder abzupressen. Ein Grund für Thatcher, die Scouser noch mehr zu hassen als sie es ohnehin bereits tat). Natürlich traf das ärmere Städte stärker als die wohlhabenden im Süden. Nach dem Tod Thatchers feierte man in allen großen Städten des Nordens auf den Straßen. Die Losung lautete »The Witch is dead«
Sick of Tories
Nach dem politischen Ende Thatchers wurde es nicht besser im Norden Großbritanniens. Zwar gab es weniger direkte Konfrontationen, aber eben auch keine Förderung, es wurden keine Versuche unternommen, das gewaltige Potential vor allem der Städte zu nutzen. Mit der Wahl Tony Blairs 1997 änderte sich das ein wenig – vor allem gab es im Norden eine spürbare Aufbruchsstimmung. Für Liverpool war dann natürlich schon die Ernennung zur Europäischen Kulturhauptstadt die Anerkennung, die dringend gebraucht wurde, um wieder zu neuem Selbstbewusstsein zu kommen. Die EU-Fördergelder, die dann flossen, wurden dringend gebraucht und wirken bis heute nach.
Vor der Wahl: Überdruss sondergleichen
Es blieb schwierig – wie in allen Regionen der westlichen Welt, wo zig Tausende Industriearbeitsplätze wegfallen und nie komplett ersetzt werden können. Die jüngsten 14 Torie-Jahre, in denen der Norden wieder einmal komplett ignoriert wurde, haben für einen Überdruss sondergleichen gesorgt.
Liverpooler Wahlergebnisse 2024
Wobei die Zustimmung für die aktuell Labour-Politik in Liverpool nicht so groß war wie in anderen Regionen des Landes. Hier hatte man eher auf den linken (und durchaus fragwürdigen) Jeremy Corbyn gesetzt, der 2017 in der Stadt knapp 82 Prozent Zustimmung. Im Vergleich dazu sind die knapp 63 Prozent für Keir Starmer in diesem Jahr extrem wenig. Es reichte, um stärkste Kraft zu werden. An zweiter Stelle – wenngleich mit riesigem Abstand – rangiert jedoch die rechts-außen-Truppe Reform UK, die x-te Erscheinungsform von Nigel Farages UKIP. Populisten, die den Brexit beförderten (Farage selbst aus der privilegierten Position eines EU-Parlamentariers heraus, das muss man sich immer wieder auf der Zunge zergehen lassen), vergleichbar der AfD in Deutschland.
Was jedoch auch Mut macht: Die Grünen erzielten einen fast ebenso hohen Zuwachs wie Reform UK. In dem Mehrheitswahlrecht Großbritanniens haben es kleine Parteien traditionell schwer, vor allem, wenn sie auf Argumente statt auf Parolen setzen, da sind über zehn Prozent Zuwachs ein Zeichen, dass Bürgerinnen und Bürger zunehmend verstehen, was auf dem Spiel steht.